Versorgungsausgleich bei der Scheidung: Was ist das eigentlich genau und wie funktioniert das? – Tipps vom Rechtsanwalt

  

Im Rahmen einer Scheidung erfolgt als eine zentrale Angelegenheit im vermögensrechtlichen Bereich auch der sog. Versorgungsausgleich, in dessen Zuge die während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften der Ehepartner ausgeglichen werden.

Doch wie funktioniert dieser Versorgungsausgleich eigentlich? Was kann ich hier verlieren oder gewinnen? Kann ich ihn auch ausschließen? Was muss ich beachten? Auf dieser Seite möchten wir Ihnen alles, was Sie rund um das Thema Versorgungsausgleich wissen sollten, einmal gebündelt vorstellen.

Das Wichtigste in Kürze: 

  • Der Begriff des Versorgungsausgleichs bezeichnet den Ausgleich der während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften zwischen den Eheleuten, an dessen Ende beide Partner gleich gestellt sein sollen.
  • Wenn die Ehe länger als drei Jahre dauerte, wird er durch das Gericht von Amts wegen durchgeführt; anderenfalls nur auf Antrag.
  • Es ist möglich, den Versorgungsausgleich einvernehmlich auszuschließen.

 

Was genau ist eigentlich der Versorgungsausgleich?

Hintergrund des Versorgungsausgleichs ist es, die Versorgungsanrechte hinsichtlich des Alters oder verminderter Erwerbsfähigkeit, zu denen insbesondere Rentenansprüche gehören, die Sie und Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin während der Ehe erworben haben, auszugleichen und somit gewissermaßen miteinander zu „verrechnen“. Beide Ehepartner sollen am Ende der Partnerschaft gleich viele Versorgungsanrechte auf Ihrer Seite haben; die Aufteilung erfolgt also im Grunde nach dem 50:50 Prinzip.

Im deutschen Recht gibt es ein eigenes Gesetz, das sog. Gesetz über den Versorgungsausgleich, das in 54 Paragraphen sämtliche Fragen und Modalitäten rund um diesen Ausgleich regelt.

Der Versorgungsausgleich wird als Teil des Scheidungs- und Aufhebungsverfahrens grundsätzlich von Amts wegen durch das Familiengericht durchgeführt.

Was gehört zum Versorgungsausgleich?

In den Versorgungsausgleich werden nicht nur Anwartschaften aus der gesetzlichen Rente mit einbezogen, sondern auch solche aus Betriebs- und Privatrenten oder aus sonstigen Versorgungswerken.

In Deutschland sind damit insbesondere aus den nachstehenden Einrichtungen Anwartschaften in den Ausgleich zu integrieren:

  • gesetzliche Rentenversicherung
  • Beamtenversorgung
  • betriebliche Altersversorgung einschließlich der Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes
  • berufsständische Altersversorgungen (z.B. Apotheker-, Architekten-, Rechtsanwalts- oder etwa Ärzteversorgungen)
  • private Lebensversicherungen (nur Rente, § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG)

Exemplarisch seien hier die Folgenden genannt:

  • Riesterrente
  • Erwerbsunfähigkeitsrente
  • Basisrente (auch „Rürup-Rente“)
  • rentengleich wiederkehrende Leistungen (etwa Altershilfe für Landwirte)

Demgegenüber existieren auch einige Anwartschaften, die gerade nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen werden. Diese sind unter der Bezeichnung „fehlende Ausgleichsreife“ in § 19 VersAusglG normiert.

Nicht anzurechnen im Sinne dieser Regelung sind vor allem folgende Ansprüche:

  • Anrechte, die dem Grund oder der Höhe nach nicht hinreichend verfestigt sind und somit verfallen können (z.B. Betriebsrenten)
  • Anrechte, deren Ausgleich für die ausgleichsberechtigte Person unwirtschaftlich wäre
  • Anrechte, die bei einem ausländischen, zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Versorgungsträger bestehen
  • private Lebensversicherungen, die auf die Einmalzahlung eines bestimmten Betrags gerichtet sind – Solche Anrechte finden im Scheidungsverfahren allerdings im Rahmen des Zugewinnausgleichs Berücksichtigung.

Auch zu den nicht anrechnungsfähigen Anwartschaften nun ein paar Beispiele:

  • Opferrente
  • Berufsunfähigkeitsversicherung
  • Kapitallebens- oder Risikolebensversicherung
  • Rente aus gesetzlicher Unfallversicherung
  • Wertpapierdepots
  • Rente der Berufsgenossenschaft
  • Renten nach dem Bundesentschädigungs-, Lastenausgleichs-, oder Bundesversorgungsgesetz
  • Mieteinnahmen

Wie funktioniert der Versorgungsausgleich?

 

Seit das Versorgungsausgleichsgesetz im Jahr 2009 novelliert worden ist, erfolgt dieser nach dem sog. einzelrechtsbezogenen Ausgleich, der auch „Hin- und Her-Ausgleich“ genannt wird. Insbesondere der letztgenannte Ausdruck suggeriert bereits das Kernprinzip: Der Ausgleich wird für jede einzelne Rentenanwartschaft auch jeweils einzeln durchgeführt. Die erworbenen Ansprüche werden dann jeweils halbiert und zur Hälfe an den Ehepartner abgegeben.

Zur Veranschaulichung dieses Modells betrachten Sie gerne folgendes Beispiel:
Herr Schuster hat während der Ehe 1.000€ über die gesetzliche Rentenkasse erwirtschaftet; seine Frau nur 400€. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs wird schließlich die Hälfte der Differenz zwischen diesen beiden Beträgen, also 300€, auf das Konto von Frau Schuster übertragen, sodass aus der gesetzlichen Altersvorsorge jeder der beiden 700€ „mitnimmt“.

Angenommen, Frau Schuster bekommt zusätzlich 400€ aus einer betrieblichen Altersversorgung, dann ist auch diese isoliert betrachtet – da der Ausgleich ja „einzelrechtsbezogen“ bzw. „Hin-und-Her“ erfolgt, hälftig zu teilen, sodass Herr Schuster 200€ daraus erhält – seiner Frau verbleibt derselbe Betrag.

Insgesamt haben die Eheleute Schuster also jeweils 900€ an Rentenanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung der beiden sowie aus der betrieblichen Altersversorgung der Frau erworben. Lägen darüber hinaus noch weitere Ansprüche – etwa aus der Beamtenversorgung oder einer Riesterrente – vor, dann würden auch diese jeweils einzeln betrachtet und zur Hälfte geteilt, damit beide Partner am Ende der Ehe gewissermaßen dasselbe auf ihrem Rentenkonto haben.

 

Der Versorgungsausgleich kann durchaus kompliziert und tückisch sein. Wenn Sie Fragen dazu haben, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.

 

Rechtsanwalt und Mediator Marc Walter steht Ihnen jederzeit gerne auch für eine kostenlose Ersteinschätzung zur Verfügung.

 

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Wann ist der Versorgungsausgleich ausgeschlossen?

 

Wie gesehen führt das Familiengericht den Versorgungsausgleich also grundsätzlich von Amts wegen durch. Nichtsdestoweniger existieren einige Konstellationen, in denen der Versorgungsausgleich ausgeschlossen ist; überdies verfügen auch Sie als Eheleute über die Möglichkeit, einen Ausschluss vorzunehmen.

In folgenden Konstellationen ist der Versorgungsausgleich ausgeschlossen bzw. kann er ausgeschlossen werden:

  • Ausschluss durch Ehevertrag oder Scheidungsfolgenvereinbarung:

Gem. § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VersAusglG können die Ehegatten den Versorgungsausgleich durch einen Ehevertrag oder eine Scheidungsfolgenvereinbarung ganz oder teilweise ausschließen. Letzteres ermöglicht vor allem die Ausnahme einzelner Rentenansprüche aus der gesetzlichen Verrechnung. Dieser Ausschluss bedarf der notariellen Beurkundung und kann sogar noch während des Scheidungsverfahrens vereinbar werden. Die Entscheidung der Eheleute ist bei Vorliegen eines rechtmäßigen Vertrages selbstverständlich bindend für das Gericht.

  • Ausschluss auf Grund der Dauer der Ehe:

Sofern die Ehe nicht länger als drei Jahre bestanden hat, erfolgt der Versorgungsausgleich gerade nicht von Amts wegen, sondern nur dann, wenn einer der Partner dies beantragt, vgl. § 3 Abs. 3 VersAusglG. Anderenfalls findet kein Ausgleich statt.

  • Ausschluss wegen Geringfügigkeit:

Sind die Anwartschaften beider Ehepartner weitestgehend gleichwertig oder sonst nur geringfügig (sog. „Bagatellanrechte“), verzichten die Gerichte oftmals auf Grund eben gerade der Geringfügigkeit der auszugleichenden Beträge auf die Vornahme des Versorgungsausgleichs. Rechtsgrundlage dieses Vorgehens sind §§ 9 Abs. 4, 18 VersAusglG.

  • Ausschluss wegen unbilliger Härte:

Schließlich verfügt das Familiengericht nach § 27 VersAusglG über die Möglichkeit, vom Versorgungsausgleich abzusehen, wenn dieser im konkreten Fall eine nicht angemessene und besondere Härte darstellen würde. Die Anforderungen an diese unbillige Härte sind aber regelmäßig recht hoch; die Auslegung erfolgt restriktiv. Wenn beispielsweise ein Ehepartner den anderen körperlich misshandelt oder sonstige Straftaten gegen diesen begeht, dann kann ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs angestrebt werden. Ein Fall des § 27 VersAusglG kommt daneben auch in Betracht, wenn ein Ehepartner willentlich keine Anwartschaften in die Ehe eingebracht hat und dementsprechend absichtlich keinem Job nachgegangen ist, obwohl ihm dies ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Im Ergebnis muss das Gericht hier eine juristische Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände und Interessen der Beteiligten treffen.

 

Wie läuft der Versorgungsausgleich ab?

 

Sie konnten bereits weiter oben auf dieser Seite lesen, dass der Versorgungsausgleich als Teil der Scheidung bei jeder Ehe, die länger als drei Jahren andauerte, von Amts wegen, also quasi „automatisch“, durchgeführt wird. In diesem Fall müssen Sie nichts beantragen und im Grunde auch sonst nichts in die Wege leiten.

Das Verfahren läuft in der Regel folgendermaßen ab:

  1. Scheidungsantrag stellen: In einem ersten Schritt wird der Scheidungsantrag durch einen der Ehepartner gestellt.
  2. Fragebogen ausfüllen: Nachdem die Scheidung eingereicht worden ist, erhalten die Ehegatten einen Fragebogen von dem Familiengericht, in dessen Rahmen Auskünfte in Bezug auf Versicherungen, Arbeitgeber, Altersvorsorge und dergleichen mehr eingeholt werden. Das Erteilen der Auskünfte ist gem. § 4 Abs. 1 VersAusglG gegenüber Ihrem Ehepartner und nach § 220 Abs. 1 FamFG auch gegenüber dem Gericht verpflichtend.
  3. Auskünfte der Versorgungsträger einholen: Im Anschluss an das Einholen der Informationen von Seiten der Ehepartner wenden sich das Familiengericht an den oder die Versorgungsträger, um nun auch die erforderlichen Angaben derselben in Erfahrung zu bringen.
  4. Auskünfte prüfen: Wenn alle relevanten Einkünfte eingeholt worden sind und das Gericht eine Übersicht erstellt hat, erhalten die Ehegatten letztere noch einmal zur finalen Durchsicht und zur Überprüfung auf Vollständigkeit und Richtigkeit.
  5. Der Beschluss: Die eingeholten Rückmeldungen und eventuelle Korrekturen werden vorgenommen, daraufhin beschließt das Gericht den Versorgungsausgleich im Zuge seiner Entscheidung.
  6. Der Ausgleich: Der Beschluss des Familiengerichts wird den Versorgungsträgern zugestellt, damit diese ihn umsetzen können. Beide Ehepartner erhalten dann noch einmal eine Mitteilung und können innerhalb eines Monats Einspruch einlegen. Erfolgt dies nicht, dann kann der Beschluss Rechtskraft entfalten; anderenfalls sind das Oberlandes- oder das Kammergericht zu befassen.

Was kostet der Versorgungsausgleich?

Der Versorgungsausgleich wird auf jeden Fall durchgeführt, wenn Sie ihn nicht durch einen der vorgenannten Wege ausschließen. Ein Ausschluss sollte nicht zuletzt deshalb in Erwägung gezogen werden, weil er auch zusätzliche Kosten verursacht.

Letztere hängen maßgeblich von der Anzahl der zu berücksichtigenden Rentenanwartschaften ab, da die jeweiligen Versorgungsträger, die ja dem Gericht Auskunft erteilen müssen, Gebühren für den dadurch entstandenen Verwaltungsaufwand berechnen.

Während sich diese Gebühren aber in der Regel noch in Grenzen halten, können insbesondere durch die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten spürbare Gebührenerhöhungen entstehen. Grund dafür ist Folgendes: Der Versorgungsausgleich bzw. die Höhe der in dessen Rahmen auszugleichenden Posten erhöht immer den Gegenstandswert des Verfahrens. Dieser ist Berechnungsgrundlage für die Rechtsanwalts- und Gerichtskosten; insoweit gilt: Je mehr Vermögen / Rentenanwartschaften die Parteien aufweisen, desto höher der Gegenstandswert. Je höher der Gegenstandswert, desto teurer werden Gericht und Rechtsanwalt.

Im Sinne des § 50 Abs. 1 FamGKG beträgt der Verfahrenswert des Versorgungsausgleichs 10% von drei Nettomonatseinkommen der Ehegatten pro berücksichtigtem Anrecht, mindestens jedoch 1.000€. Werden beispielsweise vier Anrechte im Versorgungsausgleich berücksichtigt, dann liegt der Verfahrenswert bei 40% des dreifachen monatlichen Nettoeinkommens der Ehegatten.

Auch hierzu betrachten wir einmal ein Beispiel: Das monatliche Nettoeinkommen der Eheleute Schuster liegt bei 6.000€, in ihrem Versorgungsausgleich sind vier Anwartschaften (etwa aus der gesetzlichen Rentenversicherung, betrieblicher Rente, Beamtenversorgung und Riesterrente) zu berücksichtigen. Zur Ermittlung des Verfahrenswerts ist nun in einem ersten Schritt das Nettoeinkommen der Partner zu verdreifachen: 3 x 6.000€ = 18.000€. Da vier Posten im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen waren, sind nun 40% (10% für jede Rentenanwartschaft) von diesen 18.000€ zu ermitteln, was 7.200€ sind.

In unserem Beispiel läge der Verfahrenswert also bei einem monatlichen Nettoeinkommen von 6.000€ und vier zu veranschlagenden Rentenanwartschaften bei 7.200€.

Können wir den Versorgungsausgleich selbst regeln?

Auch wenn Ihre Scheidung einvernehmlich erfolgt und Sie sich vollkommen einig über sämtliche Fragen und damit auch über die finanziellen Angelegenheiten sind, können Sie den Versorgungsausgleich nicht mit Ihrem Partner selbst durchführen. Hier bedarf es der gerichtlichen Entscheidung.

Sie verfügen aber über die bereits oben dargestellte Möglichkeit, einen Notar aufzusuchen und den Verzicht auf den Versorgungsausgleich vor diesem zu erklären. Je nachdem, welche Verteilung der in Betracht kommenden Anwartschaften und sonstigen Gütern Sie miteinander besprochen haben, können Sie auch noch weitere Gegenleistungen und dergleichen mehr vereinbaren.

Ein solches Vorgehen ist insbesondere dann zu empfehlen, wenn die Teilungskosten zu hoch sind oder natürlich immer dann, wenn Sie und Ihr Partner den gerichtlichen Versorgungsausgleich einfach nicht möchten.

Zu beachten ist hierbei allerdings die Angemessenheit der getroffenen Vereinbarungen, da das Gericht im Zuge des Scheidungsverfahrens prüft, dass niemand benachteiligt wird.